Offener Brief an DKP und SDAJ

Liebe Bündnispartner*innen, 
Liebe Freundinnen und Freunde, 

die Friedens- und Antikriegsbewegung in der Bundesrepublik und weltweit verurteilt – von einigen Ausnahmen abgesehen – die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine. Für diesen Krieg gibt es keinerlei Rechtfertigung. Auch die jahrelang betriebene antirussische Propaganda und der Konfrontationskurs des Westens – insbesondere der USA und der NATO – sind keine Legitimation für für diesen Krieg. 

Bedauerlicherweise hat die Friedensbewegung den massiven Truppenaufmarsch Russlands an der Grenze zur Ukraine seit Dezember 2021 nicht als das wahrgenommen, was er war: Die Vorbereitung der Invasion in die Ukraine. 

Die Friedens- und Antikriegsbewegung hat leichtfertig den Erklärungen Wladimir Putins Glauben geschenkt, dass Russland nicht die Absicht habe in die Ukraine einzumarschieren. Alle waren der Überzeugung, dass eine Invasion Russlands in der Ukraine nicht bevorsteht.  

Die Warnungen westlicher Regierungen vor einem bevorstehenden Angriff Russlands auf die Ukraine, denen wir aufgrund der Lügen, die diese in der Vergangenheit verbreitet haben, zu Recht skeptisch gegenüberstanden, (z.B. vor dem Krieg gegen Jugoslawien oder über den Besitz von Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins) haben sich in diesem Fall leider als richtig erwiesen. 

Von der Friedensbewegung wurden diese Warnungen westlicher Politiker und der Medien als „Schüren der Panik über eine anstehende russische Invasion in der Ukraine“ 1) oder als „Kriegshysterie“ und „Kriegspropaganda“ abgetan, wie z.B. in einer Erklärung von 200 prominenten Unterzeichner*innen aus der Friedensbewegung vom 7.02.2022. Darin kam man zu der Einschätzung, „Trotz der Militärmanöver in der Nähe zur Ukraine, hat Russland kein Interesse an einem Krieg, der für alle Seiten katastrophale Folgen hätte“. 2) Heute wissen wir das besser. 

Der Aggressionskrieg Russlands ist eine Zäsur für die Friedensbewegung, ein Bruch mit der bisherigen Einschätzung der Politik Russlands. Seit dem 24. Februar wissen wir, dass nicht nur der Westen, sondern auch Russland daraufsetzt, im Ernstfall seine Interessen mit militärischer Gewalt durchzusetzen.  

Einige, die in der Antikriegsbewegung aktiv sind, insbesondere Mitglieder der DKP, verharmlosen und rechtfertigen heute den Angriffskrieg Russlands als einen Akt der Verteidigung.  

Die Kritiklosigkeit gegenüber Russland zeigte sich schon vor dem Krieg. So wurde vor der SIKO auf Antrag der DKP in einer Erklärung des Anti-Siko Bündnisses zum Ukraine-Konflikt vom 1.02.2022 der Satz gestrichen, „Gegenseitige Drohungen, militärische Aufrüstung sowohl der NATO an der russischen Grenze als auch Russlands in der Nähe der ukrainischen Grenze befeuern die Krise, anstatt sie zu lösen“. Kritik am massiven Militäraufmarsch Russlands an der ukrainischen Grenze, wurde von der Mehrheit des Anti-Siko Plenums abgelehnt 

Bei unserer Protest-Kundgebung gegen den russischen Angriff auf die Ukraine am 26. Februar hat sich das dann noch viel deutlicher gezeigt. Im Aufruf zur Kundgebung stand völlig eindeutig: „Wir verurteilen die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine. Die Bombardierungen und alle Kriegshandlungen Russlands müssen sofort gestoppt werden.“ Doch in den Reden der DKP und der SDAJ kam nicht einmal eine annähernd ähnliche Kritik an der Invasion Russland vor. 

Der DKP-Redner begann seine Rede mit den Worten: „Wir alle sind besorgt über die schlimme Entwicklung der Lage in Osteuropa, zu der auch die umfangreiche russische Militäroperation in der Ukraine gehört, die weit über die Donbass-Region hinausgeht.“

Weiter sagte er: „Gleichzeitig wollen wir aber betonen, dass es nicht zu erwarten ist, dass Russland es für akzeptabel hält, dass eine militärische Belagerung entlang seiner Grenzen durch eine noch größere Ausweitung der NATO verstärkt wird.“ 

Und etwas später: „Versteht mich bitte nicht falsch: Ich möchte hier überhaupt nichts verteidigen, aber deutlich jegliche kriegerische Eskalation verurteilen.“ 

Die DKP ist nur „besorgt über die schlimme Entwicklung“. Noch mehr lässt sich ein Angriffskrieg kaum noch verharmlosen. Der Krieg Russlands bezeichnet sie – wie die russische Führung – als eine „Militäroperation“, die damit gerechtfertigt wird, dass man nicht erwarten könne, dass Russland eine weiter Ausweitung der NATO für akzeptabel hält. Und schließlich wird, statt eines Abzugs der russischen Truppen aus der Ukraine, „jegliche kriegerische Eskalation“ verurteilt, was immer das bedeuten soll. 

Zu Recht betonte der DKP-Redner, ähnlich wie auch andere Kundgebungsredner, den Beitrag der „sogenannten Wertegemeinschaft“ an den Spannungen mit Russland, den Versuch „die Ukraine in die EU und die NATO zu zerren, die Duldung des Boykotts der Minsker Vereinbarungen durch Kiew und die Ignoranz gegenüber Sicherheitsgarantien“ und schlussfolgerte, „deswegen sollten wir heute nicht mit dem Finger auf Andere zeigen.“ 

Das alles, insbesondere die NATO-Ostexpansion, haben wir immer kritisiert und angeprangert. Eine Rechtfertigung für den Angriffskrieg gegen die Ukraine aber ist das alles nicht. Doch die Botschaft der DKP auf der Kundgebung lautete: Die Friedensbewegung soll „deswegen“ auf ihre Verurteilung der russischen Invasion in der Ukraine verzichten.  

Die Rede der SDAJ, die danach kam, ging in die gleiche Richtung. Der völkerrechtswidrige Krieg Russlands wurde als ein „von Deutschland und der NATO provozierter Krieg“ bezeichnet, als wäre die NATO-Ostexpansion die Legitimation für einen Angriffskrieg.

Beide Reden lagen auf der Linie des DKP-Parteivorstands, der bereits einen Tag vorher, den Russischen Angriffskrieg gerechtfertigt hatte. 3)  

In der Erklärung des Parteivorstands der DKP vom 25.02.2022 heißt es: „Am frühen Morgen des 24. Februar hat Wladimir Putin den Beginn einer militärischen Spezialoperation der Streitkräfte der Russischen Föderation zur Unterstützung des Donbass und zur Entmilitarisierung der Ukraine angekündigt.“  

Der Krieg, erfahren wir da, ist kein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, sondern eine eher harmlose militärischen Spezialoperation. Wladimir Putin begründete seinen Krieg mit der „Entmilitarisierung und Entnazifizierung“ der Ukraine, Für die DKP ist das offensichtlich völlig legitim. Wohin das führen soll, wenn wir Staaten das Recht zugestehen, mit militärischer Gewalt andere Länder zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren, diese Frage stellt sich die DKP nicht. 

Weiter heißt es in der DKP-Erklärung: „Die Entwicklung der letzten Tage ist Teil einer Eskalation, die seit Jahren vom Westen und der NATO vorangetrieben wurden“. Die „Ursachen für die derzeitige Entwicklung“ seien „in der aggressiven Politik der NATO zu suchen“. Die DKP nennt dann „acht wesentliche Ursachen für die derzeitige Entwicklung“. Und auf einer Veranstaltung der DKP-München, am Tag, an dem Russland seinen Angriffskrieg begonnen hatte, sagte der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele: „Der Aggressor ist die NATO“.  

Da ist sie wieder, die „Entwicklung“. Entsprechend der Sprachregelung der russischen Führung ist das kein Krieg und schon gar kein Angriffskrieg. Richtig ist zwar, dass die NATO-Staaten die Spannungen und den Konfrontationskurs gegenüber Russland verschärft haben, was die DKP aber als die „wesentlichen Ursachen“ für den Krieg bezeichnet. Aber nichts davon ist eine Rechtfertigung für den Krieg. Wladimir Putin selbst beruft sich auf das Recht auf Selbstverteidigung, doch weder die Ukraine noch die NATO-Staaten haben Russland angegriffen.  

Und schließlich steht in der DKP-Erklärung noch der Satz: „Inhaltsleere Solidarität mit der Ukraine liefert die Vorlage für weitere Militarisierung.“  

Diese Steilvorlage hat leider Wladimir Putin geliefert, ein Geschenk an die NATO und ein Faustschlag ins Gesicht der Friedensbewegung, die seit Jahren gegen die Aufrüstung Deutschlands und der NATO auf die Straße geht und für eine Politik der Entspannung mit Russland eintritt.  

Unsere Chancen für eine größere Unterstützung in unserem Kampf gegen Aufrüstung und Militarismus und Krieg ist seit dem 24. Februar weit zurückgeworfen worden. Aufgeben aber ist keine Alternative – trotz alledem. 

Claus Schreer (MüBü), Heinz Michael Vilsmeier (MüBü), Walter Listl (MüBü) 

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1) Friedenskoordination Berlin  

2) Aufruf Friedenspolitik statt Kriegshysterie 

3) Unsere Zeit